JOHANN WOLFGANG VON GOETHE

Johann Wolfgang von Goethe´s Plädoyer für den Dialekt

"Jede Provinz liebt ihren Dialekt, ist er doch eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Atem schöpft."

"Mehr Licht" oder "Mer licht hier nät so guut !" (soll Gooethe in hessischem Frankforterisch auf dem Sterbebett gesagt haben, wer weiß?!

Johann Wolfgang von Goethe hat mit diesen denkwürdigen Aussagen dem Dialekt eine große Ehre erwiesen. Der weise Spruch wird immer dann hervorgeholt, wenn es darum geht, das Mundartsprechen zu "rechtfertigen", sei es im persönlichen Gespräch oder bei öffentlichen Veranstaltungen. Obwohl die Verwendung der Muttersprache eigentlich keine Rechtfertigung nötig hat, ist es doch sehr wohltuend und wirkungsvoll, wenn man zu diesem Thema einen so wichtigen Mann der Weltliteratur zitieren kann. Deshalb ist das Wort Goethes gewissermaßen oberster Grundsatz der Bemühungen, Mundart (wieder) zu einem Stück kulturellen Lebens werden zu lassen.

Übersetzung bei einem Mitglied der Schproochschoul oder einem Vereismitglied möglich.

En alle Lenner uff de Welt

hot jedes Volk sei eischen Schprooch.

E jeerer redd, wäi´s´em gefällt,

halt jerer wäi´e kann on mooch.

Die Schprooch es oam näit oogeboarn -

mer redd, wäi mer´s se´ierscht gehiert.

Suu wäi die ierschte Worte woarn,

däi uus die Modder hot geliehrt.

Gedicht von Hans Runkel (gest. 2021)

Und hier, ganz berühmt:  E Gäulskur von Peter Geibel (die ersten zwei von 31 Strophen)

De Hannes woar en Ruutlaafsfenger                       Der Hannes war ein Rotlaufsfänger
On immer uugesond.                                                und immer ungesund.
Sein Voadder säät, doas doot´s näit lenger,             sein Vater sagt, das tut´s nicht länger,
Der Boarsch gieht noch se Grond.                           der Bursch´grht noch zugrund.

E musst sich bei de Ärwet schuune                            Er  musste sich bei der Arbeit schonen
Vier´m Nasswern on vierm Roa,                                 vorm Nasswerden und vorm Regen,
Besonnersch Sauerkraut on Buhne,                          Besonders Sauerkraut und Bohnen,
Doas konnt´e näit vetroa.                                           das konnte er nicht vertragen.


Peter Geibel kam als Tierarzt viel herum und war täglich bei Bauern in Viehställen unterwegs. Wer sonst hätte engeren Kontakt mit den Einheimischen haben und deren Sprache pflegen können. Seine Gedichte sind daher authenthischer Nachweis des wetterauischen (mittelhessischen) Dialektes. Als wahre Begebenheit sei hier angeführt:

In der Tiermedizin gab es mal eine Viehseuche bei Rindern mit dem Namen Bösartiges Katarrhalfieber. Die Wetterauer Bauern aber haben diesen Namen als Unwort empfunden und in Wetterauisch umgedichtet, nämlich in

Biesoartisch Kattrioalfiewer   Auf diese Weise ar die Versändigung in MIttelhessisch zwar etwas ungewohnt, aber erlernbar.

PETER GEIBEL

Peter Geibel (1841 – 1901) dichtete:

,,Willst´de gäärn die Oamschel hiern, gieh en de groine Waald. 
Wann en de Noacht die Fenster friern, dann es´es meistens kaalt."

"Willst du gern die Amsel hören, geh´ in den grünen Wald.
Wenn in der Nacht die Fenster frier´n, dann ist es meistens kalt."

Man beachte, dass der Vokal im Dialekt manchmal lang gesprochen wird: Wald = Waald, kalt = kaalt, Salz = Saalz, Schmalz = Schmaalz, bald = baal u.a.

 

Vor allem in der Wetterau ist der Tierarzt aus Klein - Karben für seine Mundartgedichte bekannt. Hier hat er im ausgehenden 19. Jh. nicht nur Tiere wie Kühe und Pferde behandelt, sondern auch dabei das ländliche Milieu studiert, den Leuten auf´s Maul geschaut und die Ergebnisse seiner Recherchen in Gedichten niedergeschrieben. Gar Deftiges ist dabei herausgekommen, Betrübliches, aber auch viel Humorvolles. Unbedingt lesen sollte man „Die Gäulskur", ,,De Hannes woar en Ruutlaafsfenger" oder „Die Bendersch Käth". Wie keine anderen sind die Mundartgedichte von Peter Geibel in den Selbolder Dialekt übertragbar, ohne dass am Reim etwas geändert werden muss. Dies spricht dafür, dass der Dialekt unserer Region um Gründau und Kinzig mit dem wetterauische Dialekt sehr nahe verwandt ist. Geibels Werk ist die Keimzelle mittelhessischer Mundart und damit für die Sälweder Schproochschoul "Pflichtlektüre".

EMIL SCHÄFER

Emil Schäfer, in Langenselbold sehr bekannt, war ein guter Kenner des Selbolder "Wesens" und seines Dialektes.  Er kannte sich in Langenselbold bestens aus und der Dialekt in Selbold lag ihm sehr am Herzen, ja er "kommunizierte" im Ort damit. Das wird auch in seinem Buch "Selbolder Gebabbel" sehr deutlich. Und immer wieder wird im Museum Emils Lesebuch "Selbolder Gebabbel" , nachgefragt. Es gibt noch ein paar wenige Exemplare im Heimatmuseum,

Auf der Titelseite des Buches sind ein paar Selbolder Frauen vor dem Wohnhaus der Fam. Sandkuhl  / Gärtnerei im Schlosspark zusehen, wie sie gerade die neuesten Ortsneuigkeiten besprechen, u.a. auch Frau Gutermuth (Bildmitte), Frau des bekannten Turnwartes des Turnvereins.

Das Sandkuhl´sche Fachwerkhaus im Hintergrund ist übrigens ein typisch mittelalterliches Langhaus, eine Rarität in Langenselbold.